You are currently viewing Du musst die Festplatte löschen. Naturwein, Orange Wein, Amphorenwein –was steckt wirklich dahinter?

Du musst die Festplatte löschen. Naturwein, Orange Wein, Amphorenwein –was steckt wirklich dahinter?

  • Beitrags-Autor:
  • Beitrags-Kategorie:Rezepte
  • Beitrags-Kommentare:0 Kommentare

Orange Wine, Natural Wein, Naturwein, Amphorenwein, ungeschwefelter Wein – alles Schlagworte die uns in letzter Zeit immer häufiger unterkommen. Themen, die in der Weinwelt zunehmend diskutiert werden und einige Fragen aufwerfen. Ich hab mich auf die Suche nach Antworten begeben und dabei zwei Winzer befragt.

Schon in meinem Artikel mit Claus Preisinger und Moritz Herzog gingen wir auf das Thema Naturwein ein. Im letzten Monat, in der Weihnachtszeit, war bei uns das Thema Naturwein allgegenwärtig. Bei jedem Weihnachtsessen kamen einige dieser Weine auf den Tisch und wurden ausgiebig besprochen und diskutiert. Doch dabei stellte sich auch heraus, dass „Naturwein“ für alle nicht gleich definiert ist und mit den Begriffen derzeit viel jongliert wird.

Im Zuge der zahlreichen verkosteten Naturweine haben sich für mich jedoch 7 Favoriten, allesamt aus Österreich, herauskristallisiert, welche ich gerne mit euch teilen möchte. Anbei findet ihr meine Lieblingsweine aus dieser Weinsparte und eine Liste.

Im Zuge meiner Recherche zu Natur- und Orange Weinen hatte ich allerdings das Bedürfnis die Winzer selbst erzählen zu lassen, was für sie Naturwein ausmacht und worin die signifikanten Unterschiede liegen. Deshalb habe ich zwei Winzer, Michael Gindl vom Weingut MG vom Sol aus Hohenruppersdorf im Weinviertel und Georg Schmelzer aus Gols aufgesucht um mit ihnen darüber ein wenig zu diskutieren. Beide Winzer arbeiten biodynamisch nach Demeter und haben ihre ganz eigenen Ansprüche, Philosophien und Werte. Ich habe ihnen bewusst dieselben Fragen gestellt, um zu ergründen ob die Ansprüche gegenüber Naturwein sich ähneln und man darauf eventuell eine Art Definition ableiten kann. Ich freue mich, diese spannenden Interviews mit euch teilen zu dürfen.

Top8List_orange_hoch


1. Schlicht und ergreifend 2013, Frühroter Veltliner 2013
Schmelzers Weingut, Gols

2. Buteo 12, Grüner Veltliner 2013
MG vom SOL, Michael Gindl, Hohenruppersdorf

3. Kalk und Kiesel 2014
Claus Preisinger, Gols

4. Rosa Marie 2014, Zweigeltrosé mit grüner Veltliner
Martin & Anna Arndorfer, Strass

5. Muskat 2013
Erich Andert, Pamhagen

6. Himmel auf Erden 2013, Scheurebe und Weißburgunder
Christian Tschida, Illmitz

7. Theodora 2014, Grüner Veltliner und Welschriesling
Gut Oggau, Oggau

Interview mit Michael Gindl, MG vom SOL
Weinviertel, Hohenruppersdorf

 

GindlMichael

Was ist Naturwein und warum machst du Naturweine?

Mir was es nie so wichtig einen Begriff für das was ich mache zu setzen. Ich habe meine Weingärten schon vorher so bearbeitet, bevor der Hype um Naturweine losgegangen ist. In meinen ersten Jahren  habe ich zwar so gearbeitet wie ich es in der Schule gelernt habe, doch schon bald habe ich gemerkt, dass es mit Weniger auch geht, ohne Schönungen und Hefen. Mir ist es wichtig, so wenig wie möglich in die Natur einzugreifen, sowohl im Weingarten, als auch im Keller.

Auf meinem Betrieb arbeite ich biologisch-dynamisch nach Rudolf Steiner. Dabei ist es wichtig ganzheitlich zu arbeiten, also im Zusammenklang von Boden, Pflanze, Tier und Mensch. In den Weingärten kommen nur geringe Mengen an biodynamische Präparaten zum Einsatz, wie z.B. Hornkiesel und Hornmist, um das Bodenleben, das Wachstum und die Qualität der Pflanzen fördern. Viele Leute glauben das ist „Hokus Pokus“, dabei sind das aber stoffliche Vorgänge, die zum Teil bereits wissenschaftlich begründet werden. Zusätzlich gibt es die Möglichkeit, z.B. bei Hagel die Pflanze durch Tees und Auszüge zusätzlich so zu stärken, dass ich kein konventionelles Pflanzenschutzmittel mehr brauche bzw. den Einsatz dessen so weit wie möglich zu reduzieren. Reinzuchthefen sind bei Demeter-Betrieben generell verboten wie auch viele weitere konventionelle Mittel.

„Wir müssen den Ursachen auf den Grund gehen, und die findet man meist im Weingarten, anstatt nur die Symptome zu bekämpfen.“

Auch eine bodenschonende Bewirtschaftung ist mir dabei wichtig , weshalb ich kleinere Traktoren, bzw. sogar Pferdekraft, ich habe bereits zwei Arbeitspferde die mir bei der landwirtschaftlichen Arbeit helfen, bevorzuge. Vielen Bauern geht es nur darum, wer den größeren Traktor besitzt. Mir geht es aber viel mehr auch um die soziale Komponente, denn wenn wir keine Leute mehr beschäftigen und nur mehr alles im Alleingang auf unserem großen Traktor machen laufen wir gegen die Wand. Menschen brauchen Arbeit und mit „Manpower“ schaffen wir es mit kleineren Geräten zu arbeiten, dadurch unsere Böden zu schonen und zu gesunden und steigen meist sogar besser aus als bei der Anschaffung eines riesigen Traktor. Gesamt betrachtet bringt es dem Betrieb mehr.

Was ist im Gegensatz dazu Orange Wein? Gibt es einen Unterschied zum Naturwein? 

Naturwein ist für mich unbehandelter Wein, bis auf eine geringe Schwefelzugabe und geht dabei noch weiter. Bei Naturwein muss der Weingarten und der Keller zusammenspielen, Orange ist nur die Art, wie ich den Wein mache und und nicht der philosophische Zugang der dahinter steckt. Orange Wein hat nichts zu tun mit Bio, kurz gesagt ist es Weißwein, der wie Rotwein auf der Maische vergoren wurde, in einem selbst bestimmten Zeitraum. Für mich zählt bei Orange Wein, dass dieser Weinstil an Farbe und Geschmack erkennbar ist.

Es gibt in der konventionellen, wie auch in der biologischen Landwirtschaft immer Betriebe die es eine Spur besser machen als Andere.

„Es hat immer mit Leidenschaft und gern-machen zu tun.“

Und wenn die Leidenschaft fehlt, dann schmeckt man das auch.

Wo sind wir weintechnisch in 10 Jahren? Bleibt Naturwein eine Nische? Welcher Stil wird den Weinmarkt prägen?

Naturwein bleibt meiner Meinung nach eine Nische, allerdings eine Nische mit Berechtigung. Ich glaube, dass das Interesse an Orange Wein in Zukunft eher wieder abflacht, Naturweine werden bleiben. Außerdem glaube und hoffe ich, dass sich die biologisch-organische und/oder biologisch-dynamische Bewirtschaftung auf 50% aller Betriebe in Österreich erhöhen wird. In den letzten Monaten und Jahren kann man beobachten, dass auch immer mehr große Betriebe umsteigen und schon bald werden auch die kleinen Weingüter den Mut fassen.

Interview mit Georg Schmelzer, Schmelzers Weingut
Burgenland, Gols

 

Georgschmelzer

Was ist Naturwein und warum machst du Naturweine?

Beim Naturwein geht es darum, die Pflanze „frei leben“ zuzulassen. Also das was in der Natur wächst, so zu lassen wie es ist, so gut wie möglich ohne Eingriff. Die Schwefelzugabe würde ich nicht abhängig machen von einem festgelegten Wert, sondern minimal anwenden. wenn es wirklich benötigt wird. Naturwein ist für mich ein Wein, wo nur die Stöcke gepflegt wurden, die Trauben geholt und gepresst wurden. Für mich gehört aber auch dazu, dass der Boden im Weingarten grün ist. Naturwein ist für mich aber auch Minimum biologisch bearbeitet.

2007 habe ich den Zertifikatskurs gemach und gespürt, dass eine Bearbeitung nach Demeter der richtige Weg für mich ist. Davor war ich ein konventioneller Betrieb, habe aber nicht zuerst auf Bio umgestellt, sondern gleich auf Demeter. Schon vor 15 Jahren wollte ich auf Bio umsteigen, ich war nur einen Meter davon entfernt, doch es war niemand da, der mich gestoßen hätte, es war kein Zeichen vorhanden oder etwas Ähnliches. Deshalb habe ich es damals auch ruhen lassen, mich in die Komfortzone begeben und mir gedacht: eigentlich läuft es gerade so gut, wieso sollte ich etwas ändern? Doch relativ schnell wurde ich wieder unruhig, ging auf die Suche, bis ich 2007 das gefunden habe, was sich richtig anfühlt.

Ich habe immer schon mit sehr wenig Schwefel gearbeitet, damals war ich meiner Zeit ein wenig voraus. In der Kellerarbeit war ich immer schon ein Minimalist, viel lieber habe ich im Weingarten draußen gearbeitet und im Keller nur gemacht, was sein musste. Ich habe immer schon viele Versuche angesetzt, mit meinen Kollegen verkostet, doch im Endeffekt war immer der Wein, wo ich am wenigsten gemacht habe, der beste.

„Das Einzige, das man dafür braucht ist Zeit.“

Das heißt man geht später in den Verkauf mit den Rotweinen, in dem Fall. Hier habe ich das Glück einen großen Keller zu haben, weshalb es mir möglich ist zu überlagern. Im Durchschnitt gehe ich mit meinen Rotweinen erst nach zwei Jahren in den Verkauf, mit den Barriqueweinen sogar erst nach 4 Jahren. Das war bei mir immer schon so, schon vor Demeter. Und mittlerweile wurde das ein Trend, das was ich schon vor Jahren so gemacht habe.

Was ist im Gegensatz dazu Orange Wein? Gibt es einen Unterschied zum Naturwein? Wenn ja, welcher?

Beim Orange Wein werden Weißweintrauben genauso auf der Maische vergoren wie bei Rotweinen. Prinzipiell ist es eine Art Wein zu machen, doch es kommt von den Biodynamikern. Orange Weine kommen in erster Linie von Slowenien/ Rumänien/ Bulgarien, wo die Amphorenweine stark vertreten sind, die werden schon seit jeher auf der Maische vergoren und beim Großteil davon wird ohne Schwefel gearbeitet.

Die ganze Thematik ist allerdings sehr schwer definierbar. Wenn man von „freiem leben“ spricht, alles zulässt im Weingarten, und die Trauben dann bekommt, muss man agieren, das geht aber nicht nach Gesetzen.

„Dann ist Vernunft, Bauchgefühl und Fingerspitzengefühl gefragt.“

Viele hören das Wort Orange Wein nicht gerne, weil geglaubt wird, dass es ein Naturwein ist. Im Gegensatz zu Naturwein kann man Orange  aber definieren, weil es von der Farbe kommt. Für  Orange Weine werden Trauben verwendet die eine höhere Farbe haben, die sich dafür anbieten. Die Zeit wird zeigen was schlussendlich übrig bleibt. Je mehr man darum schreit, desto schlechter ist es. Es ist wie bei einem neuen Lied, das rauskommt, ein Ohrwurm der gerade erscheint wird zu Beginn 5x täglich gespielt, anfangs gefällt uns das noch, doch nach 14 Tagen kann das Lied niemand mehr hören.

Wo sind wir weintechnisch in 10 Jahren? Bleibt Naturwein eine Nische? Welcher Stil wird den Weinmarkt prägen?

Der Markt wird in Richtung Naturwein gehen. Wenn man auf Bio oder Demeter umstellt muss man es im Kopf verändern. Es gibt Betriebe die nur biologisch arbeiten wegen der Förderung, doch sie sind es nicht im Kopf. Im biodynamischen Weinbau gibt es keine Spaltung mehr, und jeder der es macht und es funktioniert bleibt auch dabei. Und wer es nur halbherzig macht, der hört entweder auf oder beginnt erst gar nicht damit.

„Du musst die Festplatte löschen.“

Du musst alles vergessen was du gelernt hast, doch meistens hat man es eh im Hinterkopf, doch hier sind die Experimentierkünste gefragt, den Instinkten muss man trauen. Ich glaube aber trotzdem, dass es in die Richtung der Bioweine gehen wird, aber es wird dadurch auch mehr biodynamische Betriebe geben. Die Anmeldung und das Interesse gegenüber der Biodynamie ist sehr groß, ich glaube dass viele Faktoren wie z.B. der Klimawandel, die Ernährung und vieles mehr dazu beitragen. Auch das Wetter wird immer extremer und nur ein stabiler Weinstock kann dem trotzen. Auf alle Fälle bleibt es spannend wohin uns der Weg führt.

Vielen Dank an die beiden Winzer Michael und Georg für die inspirierenden Gespräche!

Mit einem guten Glaserl Naturwein starte ich heute definitiv ins Wochenende.

Pfiat eing God,
das Mundwerk

Schreibe einen Kommentar

*