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Die Imperfektion der Burgenlandkipferl.

Wir alle streben nach Perfektion. Streben nach perfektem Aussehen, perfektem Auftreten, perfekten Manieren, perfekten Noten, perfekten Familien, perfekten erzogenen Kindern, perfekt geformten Keksen. Fehler sind schlecht. Fehler zeigen Schwäche. Wer Fehler macht, der ist ein Taugenichts.

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Doch ist es nicht langweilig immer in allem perfekt zu sein? Machen Makel, Fehler und Fehltritte das Leben nicht erst lebendig? Wenn immer alles perfekt ist, steht die Welt still. Dazu habe ich ein schönes Zitat gefunden: „Perfektion ist der größte Makel – wer alles ist, kann nichts mehr werden.“ Dem Grafik Designer Maik Alpin (1984) muss ich Recht geben. Denn was kommt nachdem wir alles erreicht haben? Nachdem wir perfekt sind? Vermutlich beginnen wir von vorne.

Wir sind umgeben von superschlanken Models, die uns vorzeigen wie unser Idealgewicht, ja sogar unser Körper auszusehen hat. Ob wir uns darin wohlfühlen? Danach fragt keiner. Unsere Haut hat glatt zu sein wie ein Babypopo, unsere Intelligenz unübertrefflich, unsere Aussprache korrekt und unsere Schaffenswerke sollen laufend mit dem Nobelpreis nominiert werden. Doch was ist, wenn wir es einfach mal nicht tun?

Das Streben nach Perfektion. Uns einfach mal dem Druck entziehen. Wenn wir einfach nur sind wie wir sind, einfach unsere eh-schon-kaum-mehr-vorhandene-Zeit mit Menschen verbringen die wir lieben, mal ohne einer zentimeterdicken Schicht Make-up außer Haus gehen und nicht dauernd versuchen die Welt neu zu erfinden. Wie nennt man das? Besinnung? Ruhe? Gelassenheit? LEBEN!

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Wenn man so darüber nachdenkt wird eines klar – Perfektion ist langweilig, fad, uninteressant.
Was bleibt euch länger in Erinnerung? Die staufreie Autofahrt mit Klimaanlage bei 40°C Außentemperatur oder die stundenlange Wartezeit auf einem Pannenstreifen in sengender Hitze, mit der letzten Flasche Mineralwasser in der Hand? Eine super sauber abgefüllt Marmelade oder die, deren Frucht-Luftblasen beim köcheln euren Dunstabzug dekorativ gestaltet haben? Verpatze Konzerte oder perfekt dargebotene Shows? Gefallen euch 100 gleich große, gleich geformte Erdäpfel besser oder eine, die die Form eines Herzen hat.

Ich glaube die Antworten liegen auf der Hand. Denn ohne diese kleinen Missgeschicke, diese kleinen Hoppalas, die Fehler die wir machen und die daraus resultierende Individualität ist das Leben doch langweilig.

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Wieso ich mich heute soviel mit Perfektion beschäftige? Wegen der Burgenlandkipferl. Die können nämlich gar nicht perfekt sein. Die sind gut so wie sie sind. Und schön so wie sie sind. Auch bei Tante Anna waren die immer so. Die Eischnee-Masse ist schon immer so wild und ungleichmäßig herausgequillt. Es waren immer manche kleiner, manche größer, manche goldiger, manche bräunlicher. Mondäne Burgenlandkipferl? Wer will die schon. Die wären doch langweilig. Verwordackelt sind sie viel spannender! Genau so gehören sie! Genauso schmecken sie gut! Ein Hoch auf den Geschmack der Imperfektion. 

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Tante Anna’s Burgenlandkipferl:

Teig:

400g Mehl; 3 Eidotter; 250g kalte Butter; 20g frische Hefe (od. 1/2 Pkg Trockenhefe); 1/8 L Milch; eine Prise Salz; 2 EL Zucker

Füllung:

3 Eiklar; 180g Kristallzucker; 100g geriebene Walnüsse

  1. Das Mehl, die Butter, die 3 Dotter, 1/8L Milch mit Hefe angerührt, eine Prise Salz und 2 EL Zucker zu einem glatten Teig verkneten. Der Teig muss nicht ruhen, ich würde ihn aber trotzdem in den Kühlschrank stellen während man die Füllung zubereitet.
  2. Das Eiweiß mit dem Kristallzucker über Dampf zu einem dick-cremigen Schnee schlagen. Danach die 100g Walnüsse unterheben.
  3. Aus dem Kipferlteig 5 gleich große Kugeln und daraus Rollen formen. 30x10cm große Rechtecke auf einer gut bemehlten Arbeitsfläche mit einem Nudelwalker ausrollen.
  4. Mit der Eischnee-Masse dünn bestreichen und der Länge nach aufrollen – genauso wie man Strudel aufrollt.
  5. Nun mit einem kleinen Kreisausstecher halbmondförmige Kipferl ausstechen und auf ein mit Backpapier belegtes Backblech legen. Die Kipferl bei 160°C 12-15 Minuten backen.

Mochtsas guid,
das Mundwerk.

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Emm.A

    Toller Beitrag. Mit so viel Wahrheit drin…das sollten wir uns echt viel öfter zu Herzen nehmen!

  2. fortune&cookie

    Wie du das auf den Punkt bringst, ist geradezu perfekt! 😉 Toller Beitrag, tolles Rezept! Liebe Grüße, Christina

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