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Ich habe heute leider kein Rezept für dich

Heute habe ich leider kein Rezept für dich, ich habe nämlich das Bedürfnis dich etwas zu fragen. Etwas, das mich in letzter Zeit sehr beschäftigt hat. Wir treffen täglich Entscheidungen. Entscheidungen die manchmal unser Leben verändern. Manche Entscheidungen die wir treffen, bereuen wir später, also gehen wir davon aus, die falschen Entscheidungen getroffen zu haben. Falsch.

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Wir haben uns richtig entschieden. Denn sonst hätten wir uns ja nicht dafür entschieden. Egal welche Entscheidung wir treffen, sie machen uns zu dem was wir sind. Wir können alles sein was wir wollen. Die Einzigen, die unser Leben gestalten sind wir selbst. Wenn wir unser Ziel nicht aus den Augen verlieren und hart dafür arbeiten, können wir es auch erreichen. Richtig. Doch oft sind es die Ziele, die uns Steine in den Weg legen. Manchmal sind wir so verbissen darauf unsere Ziele zu erreichen, dass wir alles andere vergessen. Wir verlieren unseren Leichtsinn. Wir denken erwachsen. Wir handeln vernünftig. Vernunft ist des Leichtsinns Tod. Wir versuchen keine Fehler zu machen und machen dabei aber den allergrößten Fehler, indem wir das was wir wollten gar nicht erst tun. Nur aus Fehlern kann man lernen, Fehlern prägen uns.

Dabei bin ich ein Mensch der sich gerne Ziele setzt. Große Ziele. Und genau das setzte mich die letzten Tage unter Druck. 2015 war ein unglaublich aufregendes Jahr für mich, das wohl prägendste in meinem Entwicklungsprozess. Ich habe in dem Jahr so viel gelernt wie nie zuvor, sowohl aus positiven, als auch aus negativen Ereignissen. Aber es war auch das schnellste Jahr meines Lebens. Zielorientiert. Getrieben. Ohne Anhalt.

Bis Ende 2015 hatte ich Ziele. Und ich habe gelernt, dass ich meine Ziele erreichen kann, wenn ich mich dafür einsetzte. Ich bin, wenn es um die Erfüllung meiner Ziele und Träume geht, eine Kämpferin, jedoch nicht zu jedem Preis. Normalerweise. Und doch ist mir meine Lebensqualität in den letzten Wochen entglitten. Ich habe nur noch von einem vermeintlichen „Ziel“ zum nächsten gelebt. Nur, um darunter ein Hakerl machen zu können. Erst jetzt, nach zwei Wochen abschalten, viel Zeit zum Nachdenken und Zeit mit meiner Familie, Freunden und Coffee ist mir bewusst, dass es in dem Moment zwar die richtige Entscheidung war, und in gewisser Weise zu Erfolg in dem was ich mache geführt hat, aber ich mich im neuen Jahr nicht demselben Zeitdruck und Leistungsdruck ausliefern möchte. Ich möchte mehr unvernünftige Entscheidungen treffen, mehr Ideen umsetzen, auch wenn sie möglicherweise scheitern. Zeit haben, mir meine eigene Meinung zu bilden. Das Rad in die verkehrte Richtung treten.

Bei meiner Buchpräsentation sagte ein Freund, der mir vor allem im letzten Jahr sehr ans Herz gewachsen ist, zu meinem Papa: die Meli ist 24 und hat schon alles erreicht, wie will sie das noch toppen? Ein harter Schlag. Das hat mich zum Nachdenken gebracht und gleichzeitig aufgeregt. Denn ich habe bei weitem nicht „alles“ erreicht. Bin noch lange nicht dort, wo ich dachte, dass ich hin will. Ich habe mich die letzten Tage selbst unter Druck gesetzt, im Glauben ich „brauche“ ein Ziel vor Augen. Etwas, an dem ich festhalten kann. Etwas, dass mir die Richtung vorgibt.

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Vor einigen Tagen philosophierte ich mit meinem Freund stundenlang über Zukunft, Erfolg, Träume und den Sinn des Lebens. Ich liebe es. Ich könnte tagelang mit ihm darüber sprechen. Doch dann stellte er mir eine Frage, die er neulich aufgeschnappt hat, um die eignen Ziele herauszufinden: „Was würdest du machen wenn du plötzlich viel Geld gewinnen würdest?“. Da war sie, eine Frage die helfen soll Ziele zu finden. Zögerlich, aber doch antwortete ich: ein Restaurant eröffnen, wo so viele Lebensmittel wie möglich aus dem eigenen angrenzenden Garten und Stall bezogen werden. Die letzten Tage dachte ich immer wieder darüber nach, und ich musste feststellen, dass ich mir gar nicht sicher bin, ob das wirklich das ist was ich machen würde. Eigentlich weiß ich nicht was ich damit machen würde. Und wieder kam das Gefühl gerade kein Ziel vor Augen zu haben. Nicht zu wissen, was ich einmal sein will. Ich kann alles sein was ich will: Köchin, Designerin, Künstlerin, Bäuerin, Winzerin, Marathon-Läuferin, Reitlehrerin, Fallschirmspringerin, und was auch immer mir in den Sinn kommt. Doch was will ich sein? Was willst du sein?

Tagelang hat mich das Thema beschäftigt und einen so großen Druck auf meinen Brustkorb ausgeübt, dass mir der Atem wegblieb. Doch dann, bei einem Spaziergang in eisiger Kälte, war mein Kopf plötzlich klar. Ich konnte wieder atmen. Weil ich für mich selbst beschlossen habe, dass die Frage „Was will ich sein?“ gar nicht die richtige ist. Die Frage müsste lauten: „Wer will ich sein?“. Will ich mich der Leistungsgesellschaft beugen, nur um mein Ego aufzubessern. Will ich mich nur über meine Ziele definieren. Bin ich nur der Mensch, der ich bin, aufgrund meiner Erfahrungen, meiner Reisen, meiner Erfolge? Will ich nur dieser Mensch sein? Wer will ich sein?Wie will ich sein? Ich will großzügig sein, will aufrichtig sein, will authentisch sein. Anderen Menschen mit offenem Herz begegnen, unabhängig von Religion, Herkunft und sozialem Status. Ich will Liebe zeigen und geben können, sowohl Menschen, als auch Tieren. Ich will inspirieren, will motivieren und will fröhlich sein. Und Andere damit anstecken.

Eine Frage die so viel mehr bewirken kann, so viel stärker macht, so viel mehr motiviert. Ist es nicht erstrebenswerter, sich über seine Persönlichkeit zu definieren, als über seine beruflichen und privaten Ziele? Ich habe meinen Frieden gefunden mit der Frage nach meinen Zielen. Es ist nämlich okay mit 24 nicht alles über seine Zukunft zu wissen. Es ist okay, ab und zu in den Tag hineinzuleben. Es ist okay, einmal etwas länger zu schlafen, den Tag nicht mit einer To-Do-Liste zu starten und es ist okay, schon zum Frühstück die übriggebliebenen Weihnachtskekse zu essen, ohne dabei ein schlechtes Gewissen wegen der angestrebten Bikinifigur zu bekommen. Es ist okay, Projekte auf sich zukommen zu lassen. Es ist okay, nein zu sagen. Es ist okay, sich nicht über die erreichten Ziele, sondern über seine Persönlichkeit zu definieren.

Also wer willst du sein?

„Die meisten Menschen sind andere Menschen. Ihre Gedanken sind die Meinungen anderer, ihre Leben Nachahmungen, ihre Leidenschaften nur Zitate“ – Oscar Wilde 

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Inspiriert von Paul Arden – „Egal was du denkst, denk das Gegenteil“

Dieser Beitrag hat 10 Kommentare

  1. Tina

    Liebe Meli,
    Vielen Dank für diesen sehr berührenden Beitrag der meine Gedanken in dieser Zeit geradezu widerspiegelt… Mein Jahr 2015 war ebenfalls geprägt von einem wahnsinnig stressigen Job der nach außen hin oftmals als sehr prestigeträchtig angesehen wird… Nach nun 1,5 Wochen mit Familie, Freunden und viel Zeit zum Nachdenken bin ich an einem Punkt an dem ich am Liebsten gar nicht mehr zurück in meinen Job möchte in welchem ich auf so vieles das mir Spaß macht und meine Persönlichkeit ausmacht verzichten muss…. Aber was tun? Wo will ich hin? Was will ich machen? Was ist mir wichtig? Wer und wie will ich sein?
    Liebe Grüße und vielen Dank für diesen Beitrag!!

    1. meli

      Ich freue mich, dass ich nicht alleine mit diesen Gedanken bin und kann die Fragen, die du dir selbst stellst sehr gut verstehen. Was ist mir wichtig? – guter Input! Danke!

  2. Heidrun

    Hallo!

    Mir gefällt dein Artikel sehr – aus demselben Grund, aus dem ich auch deine Rezepte und deinen Blog mag: sie bringen mich zum Nachdenken darüber, was ich mag – oder nicht, was mir gefällt und was ich gerne ausprobieren will!
    Ich bin schon mehr als doppelt so alt, daher fallen meine Überlegungen zu meinen Zielen vielleicht etwas anders aus – aber gerade das ist ja das Interessante dran.

    Eine Anregung für die Kategorie dieser Artikel hätte ich auch: Futter (Nahrung, Schmankerln….) für Seele und Geist……oder so ähnlich…..

    1. meli

      Danke! Ich freue mich, dass dich mein Blog zum Nachdenken und auf neue Ideen bringt. Du hast Recht, Alter bestimmt oft auch die Ziele, doch ein wenig Leichtsinn und kindlicher Entdeckungsgeist tut in jedem Alter gut und kann neue Türen öffnen. Futter, finde ich gut – vielleicht fällt mir noch etwas ein wie man es ein wenig feinfühliger ausdrücken kann. 🙂 danke für die Anregung!

  3. Sarah Dicker

    Liebe Meli!
    Wow! Anders kann ich es gar nicht sagen. Ich finde deinen Text (genau wie deinen Blog und deinen Werdegang) wunderbar und ich bin wahnsinnig dankbar für deine Ehrlichkeit – es gehört ganz viel Mut dazu so offen vom eigenen Leben zu berichten. Dein Blog begeistert mich schon lange. Dein Design und deine Rezepte, deine witzigen und nachdenklichen Texte und vor allem deine Einstellung zu Lebensmitteln – dein Blog war lange Zeit ein Vorbild für mich. Bis ich mich endlich selbst getraut habe mit dem Bloggen anzufangen. Jetzt bin ich dabei meinen eigenen Weg zu finden, und dein heutiger Text ist wahrlich heilsam. Man nimmt sich zu viel vor, möchte dieses und jenes erreichen, möchte kein Angebot ablehnen… aber was hinten bleibt, ist man selbst. Erwachsen werden/sein ist nicht leicht, und macht bei Weitem nicht so viel Spaß, wie man sich das als Kind vorgestellt hat. („Wenn ich mal groß bin, bleib ich solange auf wie ich will“ und heute sehnt man sich danach ins Bett geschickt zu werden, weil morgen ja auch noch ein Tag ist 🙂 )Vielen lieben Dank Meli für deine schönen und ehrlichen Worte. Und „JA“ eine neue Kategorie in deinem Blog würde ich sehr begrüßen. Liebe Grüße Sarah

    1. Sarah Dicker

      Ach ja, ich hab deine Frage gar nicht beantwortet. Ich weiß nicht genau wer ich sein will. Ich bin erst mal und das reicht.

    2. meli

      Liebe Sarah! Wow, jetzt bin ich sprachlos. Danke! Und gratuliere zu dem tollen Blog, ich habe gerade etwas hineingeschnuppert und finde es ganz großartig dass du diesen Schritt gemacht hast. Du wirst sehen es wird dir viel Freude bereiten und du wirst ganz neue Seiten an dir entdecken, mir ging und geht es immer noch genau so! Es stimmt was du sagst, am Ende bleibt man selbst und muss sich zurechtfinden mit den Entscheidungen, die man getroffen hat. Ich wünsche dir alles Liebe und viel positive Energie im neuen Jahr. Liebgruß, Meli

  4. Andrea

    Ein ganz wunderbarer Artikel und regt zum Nachdenken an… das Wilde-Zitat am Schluss fasst das „Dilemma“ auch sehr gut zusammen

  5. Karola

    Unser Umfeld – Familie, Beruf, Freunde – mit uns selbst in Balance zu bringen, das ist die Kunst bewusster Lebensgestaltung. Das Jahresende erlaubt den Blick zurück und eine Bewertung, ob wir das Jahr im Gleich- oder Ungleichgewicht verbracht haben und dann den Blick nach vorn – was wollen wir in unserer Gewichtung verändern?
    Deshalb mag ich den Jahreswechsel so gerne!!!

    Liebe Meli,
    mach weiter so, Du machst Deinen Weg. Und oft führt uns das Schicksal sowieso von alleine….

    Liebe Grüße, Karola

  6. Ulrike

    Liebe Meli, sehr schöner Eintrag, hat mich selber zum nachdenken gebracht, ich stecke auch in einem wichtigem Entscheidungsprozess. Sehr gerne viel mehr davon.

    LG Ulrike aus Wien

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